Nur ein Auto?

Selten fahre ich mit dem Auto einkaufen, aber heute überließ ich der Bequemlichkeit den Sieg über die Disziplin. Auf dem Rückweg an der Ampel stand ein Fahrzeug vor mir, das mich zum Lächeln brachte.

Es war weder frisch gewaschen noch von einer besonders seltenen (attraktiven) Marke; es handelte sich auch nicht um mein Traumauto. Es war ein mittelgroßer Mitsubishi, das Markensymbol von denen kenne ich. Es war silbern und sah nach einem älteren Modell aus. Außerdem war das Auto ungewaschen und am Kofferraum leicht zerschrammt; eine Rücklicht-Verkleidung war abgebrochen, und an der Seite befand sich eine Delle. Es sah aus wie ein ganz normales Auto – und fiel mir auf zwischen all den schicken, glänzenden, Beulen- und Schrammen-losen, neu anmutenden, offenbar PS-starken Wagen, die heutzutage hauptsächlich das Straßenbild prägen. Es sah aus wie „in die Jahre gekommen“.

Genau wie ich.

Relevant, tolerant oder doch intolerant?

MD steht für die Gesamtheit der allseits unbeliebten und teilweise sogar gefürchteten Erkrankungen um den Magen- und Darm-Bereich. Sie werden häufig durch verdorbene Lebensmittel ausgelöst. MD-Erkrankungen lassen bei Müttern kleiner Kinder die Alarmglocken schrillen, können Teenagern zurückfallen lassen in Kleinkind-ähnliche Abhängigkeiten von „Mama“ und sind zwar meist schnell vorbei, aber doch mehr als lästig. Relevante Maßnahme: Für die Ausbreitung von MD-Erkrankungen ist es nötig und hilfreich, dass ich vorsichtig und zurückhaltend bin bei verdorbenen Lebensmitteln und den Kontakt zu MD-auslösenden Viren auf ein Minimum reduziere.

MHD (Mindesthaltbarkeitsdatum) dagegen unterscheidet sich nicht nur durch einen Buchstaben von MD, sondern beschreibt etwas komplett anderes. Zum Verständnis: Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist eine tolerant handhabbare Richtlinie, keine relevante Verhaltensmaßgabe. Ein aufgedrucktes Datum entbindet mich nicht davon, meinen Verstand zu benutzen und ein Lebensmittel (das vermeintlich abgelaufen ist), auf seine Verzehrbarkeit zu untersuchen.

Nehmen wir Milchprodukte: Ich hatte einige Zeit mit der Weiterverarbeitung von Milch zu tun und weiß, dass es dabei vor allem auf ein sauberes Arbeiten ankommt. Bestimmte Gär-Prozesse werden kontrolliert angestoßen und sind gewollt. Es bleibt jedoch nicht genau vorhersagbar, wann diese zu unerwünschten Faul- oder Schimmel-Prozessen werden. Zudem gilt: Ein noch verzehrbares Milchprodukt ist von einem nicht mehr verzehrbaren sehr gut zu unterscheiden. Relevant sind hierbei nicht das MHD, sondern Optik, Geruch und Geschmack. Es ist unnötig und nicht hilfreich, nur wegen dieses Datums einem Lebensmittel gegenüber vorsichtig und zurückhaltend zu sein und den Kontakt auf ein Minimum zu reduzieren.

Ein Lebensmittel, das nach dem aufgedruckten Mindesthaltbarkeitsdatum verzehrt wird, wird nicht automatisch (oder gar deswegen) eine Magen- und Darm-Erkrankung auslösen. In Kurzform: MHD ist irrelevant für MD.

Es mag intolerant klingen, aber ich sage es trotzdem: Es fehlt mir das Verständnis für Menschen, die auf Lebensmittel mit abgelaufenem MHD so reagieren wie auf MD-Erkrankungen.

Die Welt retten

Es gibt Menschen, die heute auf die Straße gehen und für den Klimaschutz demonstrieren. Das ist in Ordnung. Einige von ihnen – nicht nur Greta – tun das sehr intensiv, sozusagen hauptberuflich. Sie haben eine Menge zu tun und führen ein anstrengendes Leben. Demonstrationen müssen organisiert, Reden geschrieben und gehalten, Treffen vereinbart und besucht werden.

Ich lebe normal. Auf meine Art und in den Augen meiner Kinder betreibe ich auch Klimaschutz: Ich fahre meist mit dem Rad, koche alles selbst, benutze wiederverwendbare Beutel, konsumiere sehr dosiert, beziehe meine Lebensmittel regional und der Jahreszeit entsprechend etc. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde ich nebenbei versuchen, die Welt zu retten. Seit mindestens zwei Jahrzehnten – einen großen Teil davon unbewusst. Ehrlich gesagt: Das ist mindestens ebenso anstrengend wie hauptberuflich Menschen für den Klimaschutz zu mobilisieren.

Pilates

Bei Pilates dreht sich alles um die Körpermitte. Es geht darum, die Muskeln der Rumpfmuskulatur gezielt anzuspannen und zu entspannen. Letztlich soll dieses Training dabei helfen, die Wirbelsäule beweglicher zu machen und die Körperhaltung zu verbessern. Pilates tut gut, ist aber nicht so einfach. Es ist schon schwierig zu spüren, welche Muskeln genau gemeint sind. Noch schwieriger ist es, diese dann gezielt anzusteuern. On top: Bestimmte Bewegungen während der Übungen unterbrechen (und erschweren) das Anspannen der Muskeln.

Mit den Jahren sind die Muskelgruppen auf diese Unterbrechungen besser vorbereitet, die Übungen werden dafür komplexer: Die Herausforderungen bleiben dieselben.

Auch Gespräche sind wie Pilates, jedenfalls Gespräche mit Kindern. Gespräche mit Kindern tun gut, sind aber nicht so einfach. Erzählstränge können noch so interessant sein – Kinder-Fragen kommen trotzdem und an unerwarteter Stelle, leiten abrupte Themenwechsel ein und fordern mich heraus.

Mit den Jahren bin ich auf diese Unterbrechungen besser vorbereitet, die Fragen werden dafür komplexer: Die Herausforderungen bleiben…

Von unglaublich zu machbar

Ich bin kein Biathlon-Fan. Dieser Sport ist mir zum Zuschauen zu langweilig. Das hielt mich in der Vergangenheit aber nicht davon ab, Biathleten zumindest in meiner Vorstellung zu bewundern. Die Tatsache, dass sie auf höchstem Niveau laufen und zwischendrin zielsicher schießen, fand ich unglaublich. „Das geht doch gar nicht, wie machen die das?“, dachte ich. Ich selbst bin nach Sprints oder Ausdauerläufen sehr am Pusten und könnte kein Gewehr ruhig halten.

Kürzlich schaute ich doch einmal Biathlon-Videos und bemerkte: Die Sportler halten beim Schießen die Luft an, schießen, atmen zwischendrin kurz durch, halten die Luft wieder an, schießen und so weiter. Das erklärt für mich einiges. Zwar ist für mich auch das Luftanhalten nach sportlicher Anstrengung schwierig; zwar kann ich nicht einmal im ausgeruhten Zustand treffsicher schießen – alles egal: Mit angehaltenem Atem erscheint mir das Schießen beim Biathlon nicht mehr unglaublich, sondern machbar. Dass ich darauf nicht eher gekommen bin.

Besondere Spezies

In unserer Nachbarschaft gibt es Leute, die sehr häufig viele Menschen zu Besuch haben und feiern. Ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter – egal: Draußen zusammen sitzen geht immer, grillen und dazu was trinken auch. Einen Anlass brauchen sie nicht. „Einfach so“, lautet meistens die Antwort, wenn wir – vorbei spazierend – fragen, was es zu feiern gibt. Diese entfernten Nachbarn gehören aus unserer Sicht einer besonderen Spezies an: sie sind gesellige Feierbiester. Für solche Leute ist ein runder Geburtstag ebensowenig eine Herausforderung wie eine Hauseinweihung mit der gesamten Nachbarschaft oder eine Silberhochzeit mit den Weggefährten der vergangenen 25 Jahre.

Für uns dagegen werfen diese Art Anlässe bedrohlich anmutende Schatten voraus und lassen uns nach Möglichkeiten suchen, eine mittel- bis richtig großen Feier erfolgreich zu umgehen. Wir sind keine geselligen Feierbiester; wir schätzen gut überschaubare Gruppen – und diese nur hin und wieder.

In den Augen der geselligen Feierbiester sind wir sicherlich ebenso eine besondere Spezies: Nennen sie uns womöglich Langweiler???

Ehrgeiz

Sport gehörte und gehört zu meinem Leben. „Das muss doch zu schaffen sein, das geht besser“, war lange mein Motto. Zwar war ich nie Vereinssportlerin, aber mein Ziel im Sport war, gut zu sein. Irgendwann reduzierte sich das Sporttreiben aufs Laufen, sehr regelmäßig und auf eher überdurchschnittlichem Niveau. Ich war häufig und schnell unterwegs.

Jahrelang machte ich einmal im Jahr einen Triathlon mit (nur zum „Spaß“) – und wollte auch dort möglichst gut sein. (Es ist mir nicht wirklich gelungen…)

Abgesehen vom Vergleich mit anderen blieb der Wunsch, körperlich die eigenen Grenzen auszuloten und gut zu sein: beim Laufen, beim Triathlon, beim Sportabzeichen und später bei Pilates.

Interessanterweise beobachte ich seit einiger Zeit eine Veränderung. Ich laufe noch immer gern, ich mache noch immer Pilates, und vielleicht nehme ich auch nochmal an einem Triathlon teil. Der Unterschied: Es ist mir nicht mehr wichtig, gut zu sein. Mein Ehrgeiz diesbezüglich ist verschwunden. Heute mache ich Sport vor allem, weil er mir gut tut.